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6. Demokratie und städtischer Wandel

Eine kohärente Reihe von Werken bulgarischer Künstler beschäftigt sich kritisch und beispielhaft mit verschiedenen Aspekten des Einflusses, den der Beitritt Bulgariens zur Europäischen Union auf das Leben der Menschen hatte.

Motif I (State Machine) von Nadezhda Oleg Lyahova, ist Teil des Projekts Globally and on a Long-term Basis the Situation is Positive (2007-2009), das eine Reihe kurzer Videos umfasst, die auf den Straßen von Sofia aufgenommen wurden, sowie eine Reihe digitaler Drucke auf Leinwand („Motifs“) mit statischen Bildern aus diesen Videos.

Dieser digitale Druck bezieht sich auf die Exzesse der Stadtentwicklung und die staatlichen Eingriffe in die Planung von Großstädten. Die Reihen von Aushubmaschinen, die wie eine Armee Außerirdischer aus einem primitiven Videospiel angeordnet sind, symbolisieren das große Baufieber, das in Bulgarien nach dem Beitritt des Landes in die Europäische Union ausbrach. Lyahova selbst sagte dazu:

„Mit seinem EU-Beitritt am 1. Januar 2007 erhielt Bulgarien den Status eines Vollmitglieds. Daher bot sich die Möglichkeit, an allen „besonderen“, „regionalen“, „innovativen“, „grenzüberschreitenden“ und „multikulturellen“ Projekten teilzunehmen, die auf die Umsetzung der „EU-Normen“ abzielen und es uns auch ermöglichen, ein breites Spektrum von Möglichkeiten zu nutzen, die die EU bietet. […] Es gab unternehmerische Investoren, die Ausrüstung und Menschen aller Art brachten. Intensive Bauarbeiten begannen. Baugeräte dröhnten in der Nachbarschaft. Beton und Eisen ersetzten das grüne Gras. Inmitten des Lärms, des Schlamms und der Staubwolken leisten begeisterte Menschen und Maschinen täglich ihren Beitrag zum Aufbau unserer europäischen Zukunft.“”.

Die idyllische Darstellung in dem vom polnischen Illustrator und Maler Rafał Olbiński entworfenen Plakat kann als idealistischer Gegenpunkt zur kritischen und skeptischen Vision von Lyahova angesehen werden. Auf diesem Plakat schläft eine weibliche Verkörperung Europas in Harmonie mit den bildlichen Modellen der italienischen Renaissance friedlich vor einer idyllischen Landschaft, während symbolträchtige Gebäude Polens aus ihren Träumen entstehen.

Vasilena Gankovska vermittelt in ihrem Gemälde An Afternoon at Burggarten #2 (2007) eine leichte Vision der puren Freude im städtischen Raum, in der sich junge Menschen sorglos auf der Wiese des Wiener Burggartens versammeln.

Während es bei der Arbeit von Oleg Lyahova um eine neue Stadt ging, die sich im Bau befindet, betrachtet das Duo Missirkov & Bogdanov – in seiner digitalen Fotografie Weekend 2126. The Valchevs (2008) stattdessen die institutionelle Architektur des kommunistischen Regimes, genauer gesagt das 1981 am Buzludzha-Hügel erbaute Denkmalhaus der bulgarischen kommunistischen Partei. Dieses Haus gilt heutzutage als außerordentliches monumentales Relikt, das nach wie vor eine futuristische wissenschaftliche Fiktion vermittelt.

Das Gebäude in Form eines Ufos (eine Art brutalistische, retrofuturistische, fliegende Untertasse) sticht vor dem Hintergrund einer imaginären Landschaft heraus, in der man eine folkloristisch gekleidete Familie sieht.

Kritiker sagten darüber:

„Weekend 2126 – The Valchevs (2008) zeigt die Familie Valchev auf einem sonnigen Sonntagsausflug, wie sie die Hänge des Berges Buzludzha entlangschlendert. Einige Familienmitglieder sind sogar dabei, ein Musikstück zu komponieren, unmittelbar nachdem ihr Raumschiff auf dem Berg in einer sonst menschenleeren Landschaft gelandet ist. Diese Szene bezieht sich zwar auf etwas neu gedachtes Altes und etwas halb in Erinnerung gebliebenes Neues, spielt aber in der Zukunft, so viel ist klar. Und das trotz der schrulligen, mittelalterlich anmutenden Ethno-Kleider, Dashiki-ähnlichen Hemden und handgefertigten Musikinstrumente, die an eine lang vergessene Folklore erinnern, die jedoch ihren Platz in der Popkultur hat. Das Foto von Missirkov/Bogdanov bietet eine mögliche Version, wie Buzludzha mehrere Generationen später gesehen und geschätzt werden könnte.“

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